DOMRADIO.DE: Der Verteidigungsminister will uns kriegstüchtig machen. Kommt das zur rechten Zeit?
Ludwig Schick (emeritierter Erzbischof von Bamberg und vormaliger Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz): Nein, weil unser erklärtes Ziel niemals ein Krieg sein kann. Und wenn wir von "kriegstüchtig" sprechen, erinnert das natürlich auch an Zeiten, wo es in den Staaten Aufrüstung gab, um einen Krieg zu führen. Pistorius hat von "kriegstüchtig" gesprochen, im Nachsatz aber auch von "wehrbereit". Das ist etwas anderes. Sich verteidigen und dafür auch wehrbereit sein – das ist richtig und auch mit der katholischen Lehre und Friedensethik zu vertreten, aber kriegstüchtig, um einen Angriffskrieg zu führen, das kann und darf nicht sein.
DOMRADIO.DE: "Christen sind friedenssüchtig. Sie suchen den Frieden und jagen ihm nach". Auch das haben sie den Äußerungen von Pistorius entgegengesetzt. Wie sieht das in der aktuellen Situation konkret aus? Was bedeutet es, dem Frieden nachzujagen?
Schick: Wir leben in einer Situation, die wirklich sehr, sehr bedrohlich ist und die wir seit Jahrzehnten weltweit nicht hatten: Ukraine-Krieg, Israel, Palästina, aber auch in Syrien oder im Sudan, das geht ja alles weiter. Wir müssen alles daran setzen, dass wieder Frieden wird. Dafür braucht es auch die entsprechende Rhetorik.
Wir müssen davon sprechen, dass wir den Frieden wollen. Dieses Wort "Suche den Frieden und geben nach" stammt aus den Psalmen. Auch Jesus hat uns gesagt: "Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen". All das müssen wir den Menschen sagen und sie auffordern, alles zu tun, was Frieden wiederherstellt, dauerhaften Frieden ermöglicht und was uns auch damit Zukunft für die ganze Welt bereitet. Krieg zerstört: zerstört Menschen, zerstört Materialien zerstört Kulturgut und zerstört auch die Schöpfung.
DOMRADIO.DE: Krieg ist immer eine Bankrotterklärung, sagen Sie. Dabei sind infolge des Ukraine-Kriegs Waffenlieferungen wieder salonfähig geworden, scheint es. Höhere Rüstungsausgaben gehören quasi zum guten Ton und Pazifisten werden als weltfremde Naivlinge diffamiert. Hat sich da nicht schon etwas in die falsche Richtung verschoben?
Schick: Ja, es hat sich auch schon etwas in die falsche Richtung verschoben, aber nicht generell. Die Bundesregierung legt ständig Wert darauf, und das ist richtig und ist auch zu unterstützen, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine nur zur Selbstverteidigung der Ukraine dienen dürfen. Deshalb werden weitreichende Raketen eben bis heute abgelehnt.
Wir müssen immer sehen, dass bei allem, was wir tun, auch in Kriegszeiten und Kriegsumständen, dass wir sagen, all das muss einem dauerhaften Frieden dienen. Dazu gehört Selbstverteidigung, aber es darf niemals dahin führen, dass wir Krieg zur Normalsituation erklären. Und deshalb denke ich, ist auch eine Wortwahl und gutes Bedenken, welche Worte man wählt, äußerst wichtig, gerade in der jetzigen Situation.
DOMRADIO.DE: Die Eskalation in Israel zeigt auf erschreckende Weise, was für ein Drahtseilakt das Recht auf Selbstverteidigung sein kann. Wie bewerten Sie das aus christlicher Sicht?
Schick: Die Angreifer sind die Hamas und Israel darf sein Recht auf Verteidigung wahrnehmen. Dabei, und dazu werden sie von allen aufgefordert, muss natürlich immer das Völkerrecht gelten. Man darf nicht die Menschenrechte außer Kraft setzen.
Das Interview führte Dagmar Peters.